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27.02.2019 – Geld oder Leben! Wie Big-Pharma Kasse macht

 
Die 4,3-Milliarden-Übernahme von Spark Therapeutics durch Roche sagt viel aus über das Geschäftsgebaren und die Preispolitik der Pharma-Industrie.
 
Geld oder Leben! Strassenräuberei war einst ein riskantes Geschäft mit tiefer Rendite. Der Kapitaleinsatz – eine Pistole und eine Gesichtsmaske – war zwar bescheiden, aber dasselbe galt für die mögliche Beute. Mehr als ein paar Hundert Franken lagen selten drin. Zudem litten Strassenräubern unter sozialer Ächtung und standen immer im einem Bein im Knast.
 
Doch seit unser Leben von finanziell potenten Krankenkassen versichert wird, ist das alte Metier neu erfunden worden. Jetzt gibt die Pharma-Industrie den Tarif durch – und der hat es in sich. In den USA etwa ist neulich ein Medikament namens Luxturna auf den Markt gekommen. Es hilft gegen eine seltene, bisher unheilbare Form von erblicher Erblindung. Die Hilfe besteht darin, dass es die Erblindung pro Anwendung um bis zu drei Jahre hinauszögert, vielleicht auch mehr.
 
Eine Injektion von Luxturna wird auf den US-Markt für 425'000 Dollar verkauft. Macht 850'000 Dollar pro Patient und Anwendung. Luxturna ist kein Einzelfall: „Preise, die sich pro Jahr und Patient auf 100 000 Fr. und mehr belaufen, sind  bei neuen Krebsmedikamenten schon fast die Norm, sagt Martina Weiss, die beim Krankenversicherer Helsana für die Preisverhandlungen zuständig ist. Für ein Medikament gegen Leukämie von Kindern verlangt Novartis sogar 370'000 Franken. Begründung: Eine einmalige Anwendung soll genügen.
 
Die grosse Frage ist nun, ob diese Preise durch entsprechend hohe Kosten gerechtfertigt sind, oder ob die Pharma-Industrie einfach versucht, das Maximum aus den Finanztöpfen der Krankenversicherer herauszuholen. Das ist besonders bei seltenen Krankheiten verlockend. In Deutschland etwa gibt es gemäss der Deutschen Apother-Zeitung DAZ aktuell etwa 200 Patienten, denen Luxturna helfen könnte. 200 mal 850'000 gleich 170 Millionen Dollar alle drei Jahre. Das müsste doch zu verkraften sein.
 
Was sie effektiven Kosten betrifft, will sich Big-Pharma nicht in die Karten schauen lassen. Man vertraut darauf, dass allein der Begriff „Gentechnologie“ nach hohen Kosten riecht. Der Kaufpreis von 4,3 Milliarden Dollar für Spark Therapeutics, den Hersteller von Luxturna,  gibt nun aber doch einige Hinweise auf die effektiven Kosten. Spark wurde 2013 mit einem Kapital von 1,1 Milliarden Dollar gegründet und hat bisher knapp die Hälfe davon „verbrannt“,  bzw. in Forschung und Entwicklung gesteckt, aber auch in die üppigen Bezüge des Managements. Jeffrey Marazzo, der CEO von Spark, hat allein letztes Jahr 4.9 Millionen Dollar verdient und er kassiert beim Verkauf noch einmal mindestens  34 Millionen Dollar für seine Aktienoptionen.
 
 
Anders gesagt: In Spark stecken etwa 500 Millionen Forschung und Entwicklung und rund 600 Millionen Dollar Bargeld und Wertschriften. Roche hat also für Investitionen in Forschung und  Entwicklung im Wert von rund 0,5 Milliarden Dollar deren 3,7 bezahlt. Die Gründer von Spark haben somit für jeden Dollar, den sie in Forschung investiert haben, deren 7 kassiert. Nicht schlecht. Roche hofft natürlich, dass sich auch seine Investition mehrfach zurück zahlt, wenn auch nicht in derart kurzer Zeit.
 
Grundlage dieser Kalkulation sind offensichtlich nicht die Kosten der Entwicklung des Produkts, also nicht das, was hinein gesteckt wurde, sondern das, was man aus den Patienten und Krankenkassen herausholen kann. Wie der Preis von 850'000 Dollar für eine Anwendung von Luxturna zeigt, kann das sehr viel sein. Geld oder Augenlicht!
 
Ein schlechtes Gewissen muss Roche dabei offenbar nicht haben. Im Gegenteil, sie hat unser volles Mitgefühl, oder zumindest  das von Dominique Feldges, dem Pharmaspezialisten der NZZ. Der schreibt in seinem Kommentar: „In der Rolle des «Frontrunner» fällt ihnen (gemeint sind Roche und Novartis Red.) aber auch die undankbare Aufgabe zu, Verständnis für die extrem hohen Preise von Gentherapien zu wecken.“
 
Die Pharma-Industrie forscht zwar auch, aber vor allem leistet sie offensichtlich hervorragende Lobby-Arbeit. Nicht nur bei der Medikamenten-Bürokratie, sondern auch bei den Medien.
 

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